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12.09.2023

Tourismusbeirat Neukölln | Gastgeber "Klunkerkranich" gibt Einblicke in die Situation der Club- und Gastroszene

regioteam moderierte die neunte Beiratssitzung - diesmal vor Ort auf dem Kulturdachgarten Klunkerkranich

Über den Dächern von Neukölln ist der populäre Dachgarten zwischen März und Dezember täglich geöffnet.  Das ehemalige Parkdeck der Neukölln-Arcaden ist nach zehn Jahren "Klunkerkranich" kaum noch als solches erkennbar: Pflanzen, skurrile Installationen und Gartenmobiliar schaffen fast schon Insel-Feeling über den Dächern Neuköllns. Die Aussicht auf Berlin im Abendlicht ist spektakulär.

Robin Schellenberg hat den "Klunkerkranich" über das letzte Jahrzehnt mit seinem Team entwickelt. Das Konzept bewegt sich zwischen After-Work-Bar, Café und Club. Hunderte Bands und DJs haben sich hier schon die Klinke in die Hand gegeben und häufig neue Fans unter dem breit gemischten Publikum aus einheimischen Neuköllnern, Stammgästen und Touristen gefunden. Schellenberg, der auch im Vorstand der Klubkommission sitzt, ist heute gemeinsam mit seinem "Booker" Filipp Vingerhoets Gastgeber des Tourismusbeirats Neukölln. Gemeinsam mit zwei weiteren Gästen, Jutta Tischendorf vom Café Tischendorf im Reuterkiez und Ismael Duá, Betreiber des Rotbart in Rixdorf, berichten Sie von der aktuellen Lage der Gastro- und Clubszene in Neukölln.

Da gibt es Licht und Schatten: Vor allem die Clubszene hat noch immer schwer unter den Verlusten der Pandemie zu leiden. Die inzwischen deutlich höheren Eintrittsgelder zu vielen Berliner Clubs sind der Versuch, sich aus der finanziellen Schieflage zu befreien, die durch Kreditrückzahlungen, stark erhöhten Einkaufspreisen und Personalkosten sowie vielerorts erheblich gestiegenen Mieten auf den Betreibern lasten. Das allerdings, gibt Schellenberg zu, widerspricht dem inklusiven Anspruch der meisten Clubs und kann bei einem nachhaltigen Einbruch der Gästezahlen um 30-40 % seit der Pandemie auch nicht alle Betreiber vor dem Aus retten. Hinzu kommt das Ende der günstigen Europa-Städtetrips seit der Pandemie und damit einhergehend der Niedergang des "Club-Hoppings", bei dem Gäste während eines Wochenendes von Club zu Club durch die Stadt ziehen. Im Ergebnis ist es zu einem wahren Club-Sterben gekommen - in Neukölln, Berlin und ganz Deutschland.

 Aber nicht alles ist so düster wie die Kluft der Wartenden vor dem Berghain: Vingerhoets zählt zahlreiche kleinere Läden in der direkten Nachbarschaft in Neukölln auf, die zwar noch lange nicht die Strahlkraft einer längst vergangenen Griesmühle haben, aber doch immer wieder für neue Impulse - auch im alternativen Musikprogramm des Klunkerkranich sorgen: Sameheads, O Tannenbaum oder Loophole sind drei der Namen, die auch bei den Mitgliedern des Tourismusbeirats noch kaum bekannt gewesen sein dürften.

Im Gegensatz zur Clubszene herrscht im Café Tischendorf geradezu Aufbruchstimmung: Der Reuterkiez brummt, Touristen aus der ganzen Welt fallen in den Kiez direkt am Tempelhofer Feld ein und frequentieren die vielen Bars, Cafés und anderen gastronomischen Angebote. Stadtverträglich oder nicht: Ausländische Touristen sind gegenüber den auch hier notwendigen deutlichen Preissteigerungen für Brunch, gesunde Biokost oder Bagel relativ unempfindlich und haben dem Café Tischendorf ein sattes Umsatzplus um die 30 % beschert.

Damit auch kleinere Läden dieses Potenzial ausnutzen können, empfiehlt Tischendorf dem Bezirk den Blick über den eigenen Tellerrand: Per Sondernutzungserlaubnis mehr Parkplätze in Außengastronomieflächen umwandeln ist ein Plädoyer, dem auch andere Gastwirte in Neukölln zustimmen würden. Ebenfalls ein gemeinsames Problem aller anwesenden Gäste: Die Personalsituation in der Branche. Hier schmerzt noch immer der Verlust vieler Beschäftigter durch Abwanderung in andere Branchen während der Pandemiezeit, die nachwachsende Generation "Z" hat, so formuliert es Tischendorf wenig schmeichelnd, ein Qualifikations- und Motivationsproblem und ist der stressigen Arbeit im Gastrobereich kaum gewachsen.

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letzte Änderung: 13.08.2024